Sonntag, 30. Oktober 2011

ふわふわ時間

Ein weitere Sonntag im Land der aufgehenden Sonne. Da es heute den ganzen Tag regnete, war von ihr jedoch noch nicht all zu viel zu sehen. Es scheint üblich zu sein, dass es unter der Woche strahlend schön ist und am Wochenende regnet. Naja, die Realität holt einen auch hier schnell wieder ein, und das bedeutet konkret, dass die Schularbeiten (bzw. Hausaufgaben) langsam den dominanten Teil meines Alltagslebens einnehmen. Einige Vorlesungen sind mir mittlerweile zu einfach, die meisten schwachsinnig, aber alle bieten interessante Einblicke von anderen Sichtweisen. Leider nur selten japanische, denn die Dozenten kommen praktisch von überall her außer Japan, aber das macht es nicht minder Interessant. In Philosophie, Architecture & Gardens und Agriculture und Monetary Studies haben wir auch japanische Dozenten und genau das sind die Fächer in denen es am meisten Spaß macht, ein wenig auf die leidigen Nihonjinron zu achten. Wenn ich eines gelernt habe an der Uni München, dann grundsätzlich erst einmal in Frage zu stellen was man mir hier (aber auch daheim!) erzählt. Das beginnt bei simplen Dingen wie "Japaner bauen im Gegensatz zu Europäern nicht auf Berge und westliche Bauwerke sind grundsätzlich symmetrisch"  bis zu Dingen die ich gar nicht wirklich durchschauen kann, weil sie mir einfach nicht geläufig sind. Der indigen japanische und für westliche Zungen nicht zu erschmeckende Umami-Geschmack zum Beispiel. Ich würde es einfach "fischig" nennen, zumindest ist das meine erste Assoziation wenn ich Dashi esse. Aber ich bin für all das kein Experte und kann womöglich total falsch liegen, wenn ich denke, mir komme etwas komisch vor. Interessant ist es allemal. Ansonsten gehts mir gut, ich vermiss meine Freundin aber ich hoffe, die Erfahrungen die ich hier mache sind diese leidige Entbehrung wert. Aber kommen wir mal zu letzten Woche, ich war natürlich auch trotz Uni-Alltag wieder gut unterwegs!

Am Montag habe ich mal versucht statt der Sanjô-Dôri nach Hause zu folgen einen alternativen Weg zu finden. Zumal auf der Karte die Gojô-Dôri durch einen Tunnel nach Yamashina-ku führt und ich mir erhoft habe, eventuell keine Berge erklimmen zu müssen. Naja, das war falsch, der Tunnel führte nur durch die Bergspitze und ich musste mehr klettern als auf dem üblichen Weg. Aber dafür konnte ich ein paar Fotos von meinem Stadtteil von oben machen.



Mittwoch war ich zum ersten mal bei meinem Circle. Ja ich bin endlich einem diese ominöse Uni-Clubs beigetreten! 京大軽音サークル, also einem der Light-Music Clubs, um genau zu sein. Es war grandios! Leute Leute die Musik mögen, viele Anfänger dabei, also keine Sorge wegen meiner Fähigkeiten. Das beste ist aber: täglich Zugang zum Clubraum, der Prall gefüllt ist mit Amps und allem möglichen Equipement! Nach der wöchentlichen Blues-Session waren wir dann noch essen und ich freu mich echt auf das nächste mal.


Am Donnerstag war dann iAT Halloween-Party. Das ganze war sehr unspektakulär. Viele nette Leute in zum Teil abartigen Kostümen, aber sonst nix. Wie immer zu wenig Getränke und Essen, ich weiß deshalb nicht ganz wofür meine 300Yen Eintritt draufgingen. Auf einem Foto sah ich Kuchen und so, aber so schlimm ist das ja auch nicht. Ich hab ich übrigens als Bayer "verkleidet".... ;-) Anschließend sind wir dann noch Essen gegangen. Das erste mal, dass ich für einen Tisch nur fürs hinsetzen zahlen musste. Dafür war sogar mein plumper Omureis ausgesprochen lecker. Aber es gibt durchaus bessere und günstigere Gelegenheiten in Kyoto essen zu gehen, deswegen bleibt es wohl bei dem einen Besuch.






Freitag hat mich das gute Wetter gepackt und ich habe beschlossen einfach mal auf einen der Higashiyama-Berge zu steigen. Vorbei an verfallenen Schwimmbädern und über enge Straßen ging es hoch auf den "Gipfel", wo dann zu meiner Überraschung ein Tempel auf mich wartete. (soviel zu Japaner bauen nicht auf Berge...) Der Ort hieß Shogunzuka und der Legende nach hat der legendäre Kaiser Kammu Ende das 8. Jahrhunderts dort eine 2,5m große Statue mit Rüstung und Bogen, Richtung Kyoto schauend, vergraben lassen, um Kyôto und den Kaiserpalast zu schützen. Angeblich fängt dieser Erdhügel jedesmal, wenn irgendwelche Katastrophen bevorstehen, an zu vibrieren. Auf dem selben Gelände befindet sich noch der buddhistische Dainichidô Tempel. De Facto war der Gipfel dieses Berges, wo der Dainichi Buddha... enshrined ist (gibt es ein deutsches Wort dafür?),  das Zentrum des Mandalas, welches für die Menschen der Heian-Zeit als Symbol für die Welt galt. Ich lebe also nicht weit vom Zentrum der Welt entfernt...! Nicht zu vergessen gibt es dort auch eine hohe Aussichtsplattform von der aus man fast die ganze Stadt überblicken kann. Angeblich hat schon Kaiser Kammu diesen Anblick (wohl ohne Plattform) genossen, und daraufhin entschieden, an dieser Stelle die neue Hauptstadt Heian-kyô zu errichten.
















Gestern war dann eines der bisherigen Highlights. Eigentlich hieß es nur, wir gehen zum Honnin-Tempel und hören uns da ein wenig Koto und Shakuhachi an. Am Ende haben wir exklusiven Zutritt zum gesamten Tempelkomplex, inklusive der Innenräume und seltenen Wandmalereien bekommen. Und es gab nicht nur ein wirklich schönes "Konzert" mit Tanz und Musik, nein, der größte Teil der Veranstaltung wurde damit verbracht, dass wir selbst an den Instrumenten Platz nehmen durften. Gut, aus der Flöte habe ich mit viel Mühe mal einen Ton herausbekommen, aber die Koto ist recht einsteigerfreundlich. Mehr als ein einfaches Lied (Sakura... natürlich) war in der Kürze der Zeit nicht drin, aber allein die gesamte Atmosphäre im Tempel, mit traditionellen Instrumenten auf Tatami-Matten... zeitweise habe ich mich gefühlt wie Richard Chamberlain als Anjin-san in James Clavell's "Shogun". Alles in allem also der bisher faszinierendste Tag hier in Kyôto, und ich denke es wird sehr schwierig das zu toppen. Wir werden sehen... :)













Nach so viel Kultur waren wir dann am Abend noch beim Nomihodai. Das ist eine meiner Meinung nach etwas problematische Form des Flatrate-Saufens, da man hier 90min Zeit hat. Es geht also prinzipiell darum, in möglichst wenig Zeit möglichst viel zu trinken. Eigentlich wollten wir noch in einen Club, aber mir war nicht mehr ganz wohl, vor allem mit dem Gedanken im Hinterkopf dass ich noch mit dem Rad nach Hause fahren muss. Also bin ich dann nach dem Nomihodai heimgefahren und ich glaube es war keine schlechte Entscheidung. Ich musste schon ziemlich langsam fahren um das Gefühl, das Rad unter Kontrolle zu haben, nicht zu verlieren. Beim nächsten mal definitiv 1-2 Becher Sake weniger.


Das war es für diese Woche. Jetzt geht es Hausaufgaben machen.